Stage 11 |
Montelimar - Carpentras |
80.5 Kilometer; 4:09:19 Stunden |
Tagebuch während der Tour geführt von: Bernt Pölling-Vocke ( bernty@gmx.com
)
Derweil schlägt die Uhr zwar schon wieder 11:30, mehr als 4.5 Kilometer sind aber noch nicht auf dem Tacho, da wir im Moment bei GoSports sind, derselben Franchisekette die uns schon gestern in Valence kein passendes Hinterrad für Franks Gefährt verkaufen konnte, der, da er angeblich den Kopf nicht frei bekommen konnte, letzte Nacht wohl eher wenig geschlafen hat, während es mir aufgrund der Hitze ähnlich ging. Jeder hat halt seine Probleme, das Hinterrad sollte aber nicht mehr dazu gehören wenn denn irgendwann der Mechaniker auch mal zur Arbeit kommt...
Lustigerweise hatte ich auch meinen Michigan-Pullover im Hotel vergessen und als ich nach unserem Frühstück beim örtlichen Supermarkt und dem Besuch zweier Banken (die erste hatte natürklich von Dienstag bis Donnerstag geschlossen, so wie fast alles immer und überall irgendwie geschlossen zu sein scheint) wieder im Hotel war, befand sich der Pullover auch schon in der privaten Wäsche der Besitzer. Erst 35 F für das Parken von Fahrrädern abzocken und sich dann auch noch einen Pullover ergattern ist jawohl eindeutig übertrieben, und auch wenn ich jetzt ein paar Flecken vom Flüssigwaschmittel habe, das gerade in die Maschine gekippt wurde, ist der Pullover zumindest gerettet.
Zweiter Eintrag des Tages:
Voll Abend, voll müde, voll kaputt und voll eine fahrtmäßig schlechte Etappe heute, anders kann man den Tag nicht beschreiben. Ob es a) am schlechten Schlaf in der Vornacht oder b) am gnadenlosen Wind der nach 2 Tagen schönsten Rückenwindes eine 180-Grad-Wendung vollzogen hat und uns konstant ins Gesicht blies oder c) an den paar leichten Hügeln oder d) am dritten Tag ohne Wolken in Folge oder e) an allen bisher genannten Gründen lag weiß ich nicht, aber auf dem Pedal habe ich gar nichts zu Stande bekommen und drohte ständig ins menthale Nirvana abzudriften (und somit den Straßengraben). Aber wenn man die Sonne ohne Wolken über sich hat, teilweise kilometerlange gerade Straßen entlangradeln muss und mindestens 20 km/h durch den Gegenwind verliert erhält das Fahren einen krampfartigen Charaker.
Auch Frank, dem ich ja eigentlich die letzten beiden Tagesetappen zeitmäßig
grandios abgenommen habe, war langsamer als jemals zuvor on tour, um jedoch meistens
schnell aus meinem Blickfeld zu verschwinden reichte es
natürlich immer noch. Zumindest hat er heute Mittag im Radladen ein neues und passendes
Hinterrad bekommen,
so dass wir wohl nicht mehr
jeden zweiten Tag Speichen wechseln dürfen. Neben diesem emotionalen Push wurde er dann
am Abend auch noch mit ersten Blicken auf den Mont Ventoux belohnt der seine 2000 Meter
recht einsam in sonst eher flacher Umgebung in den Himmel streckt. Man sollte natürlich
gleich anmerken, dass der Mont Ventoux wohl seit knapp einem halben Jahr halbstündig in
Franks Hirn auftaucht und ich die eh schon durch das neue Hinterrad gepushten Emotionen
kaum nachempfinden kann, da ich den Berg eigentlich nur als "kleines" aber
vielleicht interessantes Übel auf dem Weg zum Ziel betrachte.
Morgen ist auf jeden Fall der große Tag und Franks Weihnachten, der Tag an dem es
hoch hinausgehen wird. Übernachtet wird jetzt 2 Tage am Stück in Carpentras von wo aus
wir unsere Bergmission in Angriff nehmen werden (natürlich ohne Gepäck). Gerade kommt
Frank aus der Dusche und erzählt, dass er den Berg entweder morgen oder nie schaffen wird
und dies vielleicht die Gelegenheit des Lebens ist, da man wohl nie wieder in solch einer
bestechenden körperlichen Form sein wird. Ich mag zwar auch in recht guter Form sein, was
aber den Berg angeht, naja, dazu mehr nachdem ich geduscht und ein lecker Baguette (wie
immer) mit Marmelade (wie meistens) ins Jenseits gefressen habe. Dazu gibt es dann ein
lecker Getränk aus "meinem"
McDonalds-Glas. Aus irgendeinem Grund, wohl unverständlichen Versuchen französisch
klingende Laute von mir zu geben, bekam ich heute Mittag ein Glas auf das Tablett, welches
ich dann natürlich auch sofort mitnahm. Vielleicht war ich ja auch nur der x-te Kunde
irgendeiner Werbeaktion und hatte das Glas irgendwie gewonnen, aber was verstehe ich den
hier schon und nach dem Messer vor etwa einer Woche ist nun dem Hausrat ein weiteres
Utensil hinzugefügt worden. In Barcelona mache ich dann einen Laden auf...
3. Eintrag des Tages:
22:29; bedeutend später. Als freundliche aber eher wenig überraschende Meldung
habe ich gerade erfahren, dass ich ab Oktober den erwünschten Studienplatz in Oldenburg
erhalten habe, jetzt aber wieder zu wichtigeren Themen wie dem Berg:
Faszinierend ist der Steinklotz namens Ventoux schon, zudem fährt ab und zu mal die
Tour de France von Sault aus über den Berg, die gedopten Radprofis erklettern dabei aber
nur 1.200 Höhenmeter und somit wesentlich weniger als wir von Carpentras aus (82 Meter
auf 1912). Trotz allem feht mir im Gegensatz zu Frank die absolute Vorfreude und
Aufgeregtheit, vielleicht auch deshalb, weil der Mont Ventoux vielleicht bis jetzt ganz
praktisch war um Leute und auch mich selber fortlaufend zu beeindrucken ("wir fahren
nach Barca und auch noch über..."). Andererseits habe
ich aber nie wirklich geglaubt, dass ich den Berg hochkommen würde. Am Vorabend der
Bergfahrt scheint mir das Ganze als würde ich bei einem Marathon mitlaufen müssen, was
natürlich totaler Blödsinn wäre da ich noch nie mehr als 10 Kilometer gelaufen bin.
Oder als würde mir jemand eine 10 Meter hohe Betonwand vor die Nase stellen über die ich
rüberspringen müsste um dann eine sich ewig selbst regenerierende Stuffed Crust-Pizza
von Pizza Hut zu gewinnen. Ich könnte zwar ewig gegen die Mauer hüpfen, würde mir dabei
aber nur weh zun und am Ende mehr Hunger als vorher haben (aber da in der Geschichte der
Menschheit in wichtigen Momenten ja schon ganz Meere verschwunden sind sollte man auch die
Hoffnung auf die umstürzende Mauer nicht aufgeben). Morgen kann ich zwar nun auf Franks
Kosten zumindest ein Pizza Hut Buffet gewinnen, die Wette ist aber eigentlich eher
dämlich, da er den selben Preis kriegt wenn ich nicht hochkomme, vollkommen unabhängig
davon ob er den Gipfel erreicht oder nicht. Und wenn ich es nicht schaffe (das Schaffen
ist ja auch nicht ganz auszuschließen) wird es mich nicht so aufregen wie wenn ich nicht
zumindest ein Tennisturnier in meiner aktiven "Karriere" gewonnen hätte, da bin
ich noch mal Realist genug und weiß, dass der Berg eigentlich sowieso eine Nummer zu
groß ist.
Ob Frank es schafft? Ich denke schon, weiß aber wirklich nicht wie hart so ein Berg wirklich ist und kann daher wenig fundiert schätzen. Angeblich soll auch der abnehmende Sauerstoffgehalt in größeren Höhen Auswirkungen beim Sport haben, auf den Effekt wäre ich rein interessenshalber schon einmal gespannt, wobei ich dafür aber wahrscheinlich eh nicht hoch genug kommen werde. Und einfach das Rad den Berg hochzuschieben ist mir auch zu bescheuert und vor allem zu zeitaufwendig. Entweder mit Stil und wenig Schieben an den steilsten Stellen oder gar nicht. Zumindest werden wir morgen komplett nicht zusammen fahren, vielleicht noch bis zum Fuß des Berges, im Tod allerdings ist jeder allein (so wie es auch "The Great Gatsby" war) und den Berg muss man allein schon aus fahrstilistischen Gründen alleine angehen.
Ach ja, die einzige Schachpartie des Tages während des Wartens vor GoSports auf den für Franks Hinterrad zuständigen Mechaniker habe ich übrigens gewonnen und damit meine Serie an ungeschlagenen Spielen auf 2 (1-0-1) erhöht.
Laufende Schachbilanz: Bernt vs Frank 2:13:1